Klimaprojekte - Gemeinsam fürs Klima

7 Herr Prof. Rex, welche Geheimnisse konnten Sie der Arktis entlocken? Prof. Rex: Wir haben auf dem Weg zur Eiskan- te das erste Ozonloch über der Arktis doku- mentiert und vermessen. Eine weitere große und besorgniserregende Überraschung war, wie weit fortgeschritten die Eisschmelze schon ist: Obwohl wir wissen, wie schlecht es um das arktische Meereis steht, war es er- schreckend, in diesem Sommer nördlich von Grönland fast bis zum Nordpol weite Flächen offenen Wassers anzutreffen und am Nordpol selbst eine völlig erodierte und von Schmelz- tümpeln zerlöcherte Eisoberfläche vorzufin- den. Insgesamt haben wir mehr als 100 sehr komplexe Parameter erfassen können, um die Klimaprozesse der zentralen Arktis bes- ser verstehen und in Modellen abbilden zu können. Die Veränderungen des arktischen Klimas sind eng mit dem Wettergeschehen in unseren Breiten gekoppelt. Welche Prognosen können Sie über den Klimawandel in Europa machen? Prof. Rex: Die Arktis ist die Wetterküche Euro- pas, Nordamerikas und weiter Teile Asiens. Der Temperaturunterschied zwischen der kal- ten Arktis und den wärmeren mittleren Breiten treibt das wichtigste Windsystem der Nord- halbkugel an, den Westwindjet. Wir haben gesehen, dass sich die Arktis deutlich schnel- ler als der Rest der Welt erwärmt. Der Tem- peraturunterschied zwischen Europa und der Arktis wird also kleiner. Das wiederum führt dazu, dass der Westwindjet instabiler wird mit der Folge von mehr Wetterextremen bei uns in Europa: langanhaltende sehr trockene heiße Phasen im Sommer und häufigere und intensi- vere Kaltluftausbrüche imWinter mit Schnee- stürmen und Blizzards bis nach Florida. Extremwetterereignisse werden also weiter zunehmen? Prof. Rex: Wir haben stichhaltige Hinweise, dass die Erwärmung der Arktis zu den Dürre- sommern der vergangenen Jahre beigetra- gen hat und diese in Zukunft zunehmen wer- den. Gleichzeitig gelangt auch mehr warme, feuchte Luft aus den mittleren Breiten bis tief in die Arktis, wodurch sich das Abschmelzen des grönländischen Eisschilds beschleunigt. Diese Rückkopplungsmechanismen in der Arktis beobachte ich mit großer Sorge. Ein weiterer Rückkopplungsmechanismus ist die Eis-Albedo-Rückkopplung: Wenn sich das Meereis zurückzieht, wird aus einer vormals weißen Oberfläche ein dunkler Ozean, der viel mehr Sonnenenergie absorbiert und die Erwärmung weiter anheizt. Was muss getan werden? Prof. Rex: Aus meiner Sicht ist das arktische Eis nicht nur eine Umgebung von faszinieren- der Schönheit und ein einzigartiges Ökosys- tem, sondern es ist außerdem Bestandteil uralter Kulturen und die Lebensgrundlage für die Bevölkerung der Arktis. All das droht verloren zu gehen, wenn wir unser kurzes Zeitfenster nicht nutzen, das wir gerade noch haben, um das sommerliche Eis der Arktis zu retten. Ein Verschwinden des Eises im Som- mer würde dramatische Folgen für das Klima der nördlichen Hemisphäre haben. Deshalb denke ich, dass wir alles daransetzen sollten, das arktische Meereis ganzjährig und für zu- künftige Generationen zu erhalten. Prof. Dr. Markus Rex leitet die Sektion Atmosphärenphysik des Alfred-Wegener-Instituts

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